Holoholo - einfach los

 Holoholo ist ein Wort aus dem Hawaiianischen und bedeutet einfach losgehen, ohne bestimmtes Ziel. Es ist eine Art des Reisens, die man im Grunde immer und überall machen kann. Nicht wissen, wohin das führt, nicht wissen, ob man jemandem begegnen wird. Vielleicht geschieht nichts Spektakuläres, aber vielleicht liegt gerade in diesem Unspektakulären eine tiefe Bedeutung, an die man sich später erinnern wird. 

Holoholo vor der eigenen Haustür. Du gehst los, biegst um die nächste Ecke. Alles ist wie immer, aber da ist plötzlich dieser kleine, unscheinbare Waldweg. Du bist oft daran vorbeigekommen, hast ihn wohl bemerkt, aber er schien ins Nirgendwo zu führen, vielleicht gar kein richtiger Weg. Aber heute, heute gehst du ihn. Einfach so. Denn beim Holoholo darf es auch Sackgassen geben. 

Du gehst also den kleinen Trampelpfad. Es quietscht unter deinen Schuhsohlen, denn überall ist Matsch und aufgeweichte Erde. Beinahe wärst du über eine Wurzel gestolpert. Es ist kein Weg, das bemerkst du spätestens, als dir dornige Zweige ins Gesicht peitschen und der Wald dichter und dichter wird. Es riecht stark nach Blättern, Moos, Rinde und Harz, irgendwie archaisch. Du kommst dir vor wie in einem anderen Land, vielleicht wie in einem anderen Leben, als du noch ein Waldmensch warst. Es ist anstrengend, den Weg weiterzugehen, der ja gar kein Weg ist. Es wird merkwürdig still um dich. Kein Vogelgezwitscher mehr. Seltsam. Du hörst Meeresrauschen. Wie kann das sein? Oder ist es nur der Wind in den Bäumen? Da, plötzlich vor dir siehst du ein Loch. Es ist zwar mit Zweigen verdeckt, aber der Wind hat einige weggeweht, und da siehst du ein dunkles Loch, das unter die Erde führt. Holoholo, denkst du. Einfach losgehen, schauen, was kommt. Du fegst die Zweige beiseite und bist froh, dass du neben deinem Taschenmesser auch eine Taschenlampe dabei hast. Sie ist klein, aber ihr Licht reicht aus, um in die Dunkelheit zu steigen. Es geht über Wurzeln und Steine, ziemlich steil nach unten. 

Modrige, kalte Luft umfängt dich, aber deine Neugier ist stärker als deine Angst. Unter der Erde, im Mutterleib der Gaia, denkst du. Du wählst einen von zwei engen Gängen und musst dich zusammenkrümmen, um mühsam voranzukommen. Kein Geräusch mehr. Stille. Ab und zu nimmst du dein eigenes Atmen wahr, das nun klingt wie ein Schnaufen, du folgst dem Schein deiner Lampe. 

Und plötzlich öffnet sich ein Raum vor dir. Eine Grotte, groß wie eine Kathedrale. Du stehst ganz oben und blickst hinunter in diesen mystischen Raum. Im felsigen Boden erkennst du eine Form. Kann das sein? Ist das möglich? Du schließt die Augen, öffnest sie wieder, beleuchtest das, was du da siehst wieder und wieder, ungläubig. Es ist eine Vulva, aus Lava geformt. Eine Yoni in Übergröße. Du bist tatsächlich in Mutter Erdes Schoß gelandet. So lässt du dich nieder, erschüttert und verwirrt, dankbar und überwältigt. Du singst Töne auf U und O, hörst den Hall, das Echo. Dann wieder Stille. 

Ganz langsam trittst du den Rückweg an. Ein Schritt, wieder ein Schritt. Dein Körper fühlt sich schwer an, deine Seele ist leicht. Als du ein Licht in der Ferne siehst, weißt du, dass du bald wieder in deiner Welt sein wirst, dass du hinaustreten wirst in den Wald, dass du nach Hause gehen wirst. Man wird dich fragen, was du erlebt hast, und du antwortest nur: Holoholo

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