Frau von Kopf bis Fuß war Tochter einer Gräfin. Sie selbst empfand sich zwar wenig gräflich, aber nun ja, man hatte also diese Abstammung, und somit war es sicher nicht das Schlechteste, dies auszunutzen. Wenn schon keinen Doktortitel, wie der Vater ihn hatte, dann doch wenigstens den geerbten gräflichen Titel der Mutter.
Frau von Kopf bis Fuß, Gräfin von Ingenhardt, einem schlichten, jedoch großzügigen Anwesen in Oberschwaben, hatte sich vorgenommen, nicht mehr selbst Hand anzulegen, wenn es um defekte Toiletten oder dergleichen ging. Als Gräfin würde sie sich zukünftig ganz nach Art ihrer Mutter in den hoheitlichen Sessel setzen und die Bediensteten heraneilen lassen. Gräfin von Kopf bis Fuß war eine Perfektionistin, leider. Das war ihr schon oft zum Verhängnis geworden, glaubte sie doch, nur sie selbst sei in der Lage, alles richtig und gut zu machen, weshalb sie andere sehr selten etwas tun ließ. Doch nun war sie entschlossen, ihre gräfliche Rolle voll und ganz auszufüllen. Sie würde nun arbeiten lassen, genüsslich dabei zusehen und sich endlich einmal entspannen.
Die Gräfin von Ingenhardt war stolz auf ihr Anwesen und darauf, wie sie es immer wieder in perfektem Zustand gehalten hatte. Sie führte ihr Haus mit einer Mischung aus Autorität und Eleganz, und trotz ihres stolzen Auftretens und ihrer hohen Ansprüche war die Gräfin von Kopf bis Fuß auch eine herzliche und großzügige Gastgeberin, die es verstand, ihre Gäste zu verwöhnen und zu umsorgen.
Eines Tages jedoch kam eine bereits bekannte Herausforderung auf die Gräfin zu. Das Internet war wieder einmal ausgefallen und mit ihm auch die Telefonanlage. Normalerweise hätte sie nun das Mobiltelefon genommen und das Callcenter angerufen, aber aus leidigen Erfahrungen heraus wusste sie, dass man dort mit dem Tal der Ahnungslosen verbunden war und es Tage bis Wochen dauern könnte, bis es wieder zu einem reibungslosen Ablauf der digitalen Kommunikation kommen könnte.
So zögerte die Gräfin nicht lange und beschloss, selbst anzupacken. Noch im Nachthemd stieg sie in den Keller und holte die zweite Fritzbox aus einem frisch von den Bediensteten entstaubten Regal. Das Gerät war noch auf den alten Anbieter konfiguriert und die verzwickte Aufgabe bestand darin, ohne Zugang zum DSL Internet und Telefon diese Fritzbox zurückzusetzen und auf den neuen Anbieter zu aktualisieren.
Nach Stunden voller Schweiß und Anstrengung, nach langem Grübeln und einigen Kabelverbindungen, die es auszuprobieren galt, hatte sie es geschafft. Die Fritzbox war nun auf dem aktuellen Stand und in der Lage, die defekte zu ersetzen und das Internet wieder zum Laufen zu bringen!
Die Gräfin von Kopf bis Fuß war ziemlich stolz, jedoch wurde ihr in dem Moment auch bewusst, dass sie wieder einmal ihrem alten Glaubenssatz gefolgt war, dass nur sie selbst es richtig gut machen könne. Aber in diesem Fall war es nunmal auch so gewesen. Sich dem unfähigen Callcenter anzuvertrauen hätte zu einem fatalen Chaos geführt.
Zu lernen, dass es manchmal notwendig war, anderen zu vertrauen und Hilfe anzunehmen, dazu war noch viel Zeit. Ein paar Jährchen Leben würde sie ja wohl noch haben.
(Text entstand in der Schreibwerkstatt "Soulwriting" bei Sabine Schreiber)
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