Gestern wie Heute - Warum lernt die Menschheit nichts dazu?

 

Heute ist der 56. Todestag meines Vaters. 
Ich überlege mir oft, was er über die heutige Zeit gesagt hätte. Zeitlebens war er gegen den Krieg. In seinen Tagebüchern, die er als 14-18 jähriger schrieb, zeigt sich, wie schockiert er war, als er realisierte, was wirklich geschehen war und wofür sein Vater gefallen war. Es hat ihn vollkommen verstört. Als Pfarrer suchte er später Kontakt zu Widerstandskämpfern dieser Zeit, sofern sie noch lebten. 
Dr. Martin Niemöller, Mitbegründer der „Bekennenden Kirche", war einer davon. Er hatte es zutiefst bereut, einst die Nazis gewählt zu haben, zu lange geschwiegen zu haben zu Dingen, von denen er gemeint hatte, es ginge ihn nichts an. Bis es zu spät war. Die Nazis waren an der Regierung. Er wandte sich nun gegen sie und landete im KZ. 
Niemöller besuchte uns 1967 und predigte anschließend in unserer Gemeinde, einem kleinen Dorf. Ich war damals vier Jahre alt und kann mich noch daran erinnern, dass ich ihm die Hand gab und knickste, so wie man es mir eingeschärft hatte. Im Nachlass meiner Mutter fand ich vor drei Jahren die handgeschriebene Beileidsbekundung Niemöllers an meine Mutter zum Tod meines Bruders Samuel, sowie wenig später auch zum Tod meines Vaters. 
Dort steht zwar, meine Mutter könne sich immer an ihn wenden, wenn sie etwas bräuchte, aber wie hätte das gehen sollen? Sie war dreiundzwanzig und in Trauer überfordert. Niemand mit Einfluss hat ihr damals geholfen. 
Genauso wichtig wie die großen Redner und Prediger, braucht es doch auch Menschen, die aktiv etwas tun, die mit Rat und vor allem Tat beistehen. Angeblich war mein Vater so jemand. Zumindest wurde mir das von den inzwischen alten Dorfbewohnern erzählt. Das Leben meines Vaters war kurz. Er hat ziemlich viel geleistet und konsequent seine Werte vertreten. Auf alten Tonbändern kann ich seine Predigten hören und bin erstaunt, wieviel Gültigkeit sie heute noch haben. 
Es stimmt mich nachdenklich, dass wir als Menschheit nur sehr langsam in unserer geistigen Entwicklung weiterkommen. Würde unser geistiges Wachstum genauso wachsen, wie der technische Fortschritt, wären wir in einer anderen Welt. Doch die Gier nach mehr Materie lässt unseren Geist leider schrumpfen - auf allen Ebenen.



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