Aus und vorbei


Ich schreibe Tagebuch seit vielen Jahren
und langsam wurde es Zeit

all das Leid

und die pubertären Gefahren

loszuwerden und zu entsorgen

damit ich frei werde für ein Morgen

ohne Grübelei über das, was war

und nicht mehr zu ändern ist.

Verbrennen würde ich all den Mist.


Ich setze mich also hin und schlage

Seite um Seite auf und wage

es nochmals zu lesen.

Wer war es gewesen

der damals mein Leben durchkreuzte?


Ein Bildhauer aus München, geheimnisvoll

eine Art Rodin und ich Camille Liebestoll.

Als seine Muse habe ich ihn vielfach geküsst

dabei aber seine Liebe vermisst.


Die Kunst war alles was für ihn zählte,

weshalb er auch manchmal Gewalt wählte

um seine Ziele durchzusetzen

und mich zu verletzen,

was am Ende dazu führte

dass ich eine Maß Bier über ihn leerte.


Ich lese die Seiten im Ferienhaus

und reiße sie aus,

übergebe dem Feuer mit Applaus

die alten Geschichten aus meinem Leben.

Nichts soll weiter an mir kleben.

Und ich fühle mich wirklich befreit

und wieder bereit,

mich neuen Themen zuzuwenden,

Gefühle nicht mehr zu verschwenden.


Und überhaupt, das ist mehr als dreißig Jahre her,

warum war das denn jetzt so schwer

es nochmals Revue passieren zu lassen,

denn schließlich habe ich ihn damals verlassen.


Das Feuer ist aus.

Ich komme nach Haus,

im PC eine Nachricht,

den Absender kenne ich nicht.

Eine junge Frau schreibt, sie trauere sehr,

ihr Vater, der Künstler, eben Jener,

ist nicht mehr.

Nach langer Krankheit verstarb er vor Tagen

und wird demnächst zu Grabe getragen.


Hörversion:




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