Helga bei den Hühnern

Nach einer fast wahren Begebenheit, Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind beabsichtigt, die Namen authentisch!


Es war wieder einmal ein heißer Tag. Die Sonne hatte den Zenit erreicht und ihr gleißendes Licht brannte unbarmherzig auf das kleine Dorf in Oberschwaben. 
Seit Tagen hatte es nicht geregnet. Elfriede, Klothilde und Gosche-Marie waren sich einig, so konnte es nicht weitergehen. Zwar hatten sie ein schönes Zuhause mit großem Garten, der sogar etwas Schatten bot, allerdings lebten die drei zusammen mit ihren Freundinnen in einer WG, weshalb es an solchen Tagen eng werden konnte, wenn alle Schutz im Haus suchten. 
Gosche-Marie wetterte den ganzen Tag. Sie war übelst gelaunt. In der Nacht war Rainer da gewesen, dieser Schwerenöter! Ständig versuchte er die prekäre Situation unter der die Freundinnen zu leiden hatten, auszunutzen. Es war klar, er würde sich früher oder später eine von ihnen schnappen und dann war Schluss mit lustig. Weder Klothilde noch Elfriede konnten sie davon überzeugen, dass Rainer harmlos war. Er war ein Streuner, neugierig und ja, manchmal auch frech, aber sie würden ihn schon alle gemeinsam zur Raison rufen, meinten die beiden. Immerhin gab es ja Helga. Man war sich in der WG einig darüber, dass Helga, ihre Vermieterin, mit absoluter Zuverlässigkeit für die Sicherheit und das Wohlergehen ihrer Mieterinnen sorgte. Inzwischen hatten sie einstimmig beschlossen, die Miete freiwillig zu erhöhen. Helga würde staunen! 
 Da kam sie auch schon. Helga trug einen Eimer und eine Gießkanne. Gosche-Marie kreischte gleich los: „Gott sei Dank bist du hier! Wir verdursten!“ Doch Helga ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Ihre Mieterinnen waren zeitweise etwas anstrengend, aber sie hatte bewusst keine Spießer beherbergen wollen. Ein paar Exotinnen würden ein bisschen Abwechslung ins Dorf bringen, auch wenn sie sich manchmal wie Dramaqueens aufführten. Während sie das Badewasser und die Trinkwasserbecken auffüllte, fiel ihr Blick auf einen Busch. Irgendwie hatte sie das merkwürdige Gefühl, dass sie nicht nur von ihren Primadonnen beobachtet wurde. 
Ha! Da war er also, der Rainer! Sie konnte ihn an seinen roten Haaren erkennen. Er hatte sich zwar weggeduckt, aber sie hatte ihn erkannt. Dieser Saboteur musste es auch gewesen sein, der kürzlich ein Loch in den Gartenzaun gerissen hatte. Es war also nicht nur die Hitze gewesen, warum Gosche-Marie und ihre Freundinnen nicht mehr im Vorgarten saßen. Rainer war bekannt als aufdringlich und übergriffig und wurde sogar schon polizeilich gesucht wegen gewisser Gewalttätigkeiten. Mit durchdringendem Blick sah sie noch einmal zum Busch. Aber Rainer war verschwunden. 

Rainer Fuchs stand an einem Baum und pinkelte. Als Helga ihn entdeckt hatte, hatte er sich blitzschnell aus ihrem Blickfeld entzogen. Normalerweise kümmerte sie sich ja nur um diese gackernden Weiber und schaute nicht nach rechts und links. Aber nun war ihm schlagartig klar geworden: Diese Frau konnte ihm gefährlich werden. Die schwatzhafte Gosche-Marie hatte im ganzen Dorf herumerzählt, dass er angeblich hinter ihr, der Gosche-Marie, her sei, aber bisher hatte Helga das entweder ignoriert, oder sie verstand das Gegacker der aufgeregten Tratscherin einfach nicht. Zudem hatte er nicht das geringste Interesse an Gosche-Marie, vielmehr war seine Begierde ganz auf die zarte Klothilde ausgerichtet. Aber ausgerechnet sie war immer wieder im Schatten des Hauses verschwunden, hatte sich stets scheu zurückgezogen. 
Nein, Klothilde war keine leichte Beute. Er würde es in der Nacht noch einmal versuchen, vielleicht gab es eine Möglichkeit, sich Zugang zum Haus zu verschaffen. Mit listigem Blick schlich er sich durch den Wald zu seinem Bau. 

 Unterdessen überprüfte Helga beunruhigt den Zaun und das Haus ihrer Schützlinge. Es ließ sich nicht leugnen, dass hier jemand zugange gewesen war und ihr war klar, dass das nur Rainer gewesen sein konnte, Rainer Fuchs, der bereits auf einigen Fahndungsplakaten ausgeschrieben war und den bisher noch keiner erwischt hatte. 
 „Okay“, sagte Helga gedehnt und in ihrem Ton schwang eindeutig ein „Dir werd ich`s zeigen“ mit. 
Ihre Damen waren gerade dabei ein kühles Bad zu nehmen und hatten glücklicherweise nichts mitbekommen. Das Geschrei wäre groß und so ein Drama nicht hilfreich gewesen. Helga beschloss, Rainer Fuchs eine Falle zu stellen. Sie hatte genug davon, dass er ihre Ruhe störte und ihre Mieterinnen belästigte. Sie wusste, dass sie sich auf ihre Intuition verlassen konnte und hatte schon so manches Problem im Dorf gelöst. Schnell schmiedete sie einen Plan und setzte ihn umgehend in die Tat um. 

In der folgenden Nacht schlich Rainer Fuchs erneut um das Haus. Er war fest entschlossen, einen Weg hinein zu finden, um endlich an Klothilde heranzukommen. Gerade hatte er sich am Zaun zu schaffen gemacht, da hörte er ein leises, jedoch scharfes Zischen ganz dicht an seinem Ohr, und bevor er reagieren konnte, wurde er von einer großen Netzfalle eingefangen. Mist! 
Helga, mit Nachtsichtbrille ausgestattet und bereits auf ihn lauernd, hatte nicht lange gezögert und ihn überlistet. Schnell zog sie ihn zu einem alten Schuppen, den sie gut abriegelte, bis die Polizei ihn abholen würde. „So, mein Freund, das war`s!“, rief sie ihm zu und er jaulte auf. 

 Am nächsten Morgen fand Helga die fassungslose Gosche-Marie vor der Tür. Sie konnte es nicht glauben, dass Rainer Fuchs tatsächlich gefangen genommen worden war! Die anderen Mieterinnen kamen dazu und bedankten sich überschwänglich gackernd bei Helga für ihre schnelle Reaktion. Helga schmunzelte und sagte: "Man sollte niemals einem Fuchs etwas durchgehen lassen." 
Fuchs wurde der Polizei übergeben und das kleine Dorf konnte endlich aufatmen. Die Mieterinnen waren erleichtert und dankbar für Helgas Einsatz und präsentierten ihr stolz eine doppelte Miete: Zwanzig Eier statt zehn. Allen im Dorf war klar geworden, dass man sich besser nicht mit Helga und ihren Primadonnen anlegte. Helga war eine Heldin und ganz Oberschwaben beglückwünschte sie zur Überführung des lange gesuchten Gewaltverbrechers Rainer Fuchs, der nun hinter Schloss und Riegel war.

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