Die Zeit rennt

 Je älter ich werde, desto schneller vergeht die Zeit. Nein, das stimmt auch wieder nicht, denn oft habe ich das Gefühl, dass sich die Zeit dehnt. 
Dann wieder verabschiede ich mich abends von meiner Freundin mit: „Schon wieder Zähneputzen“. 
Ich habe das Gefühl, mir ständig die Zähne zu putzen. Zwischen Morgen und Abend vergeht die Zeit wie im Nu. Apropos Zähne: Der Zahn der Zeit nagt heftig an mir. Innerhalb eines Jahres habe ich zwei Zähne verloren, die eigentlich gesund waren. Nachgeschaut, für welche Organe und psychischen Dinge diese Zähne stehen, kam es dicke: der Erste war der Trauerzahn, der Zweite die Schöpferkraft, die Kreativität. Ist meine Zeit nun abgelaufen? Bin ich im Verfallsdatum? Wieviel Zeit bleibt mir? Und wie werde ich sie nutzen können, wenn ich keinen Biss mehr habe? 
Der Zahnarzt, versprach mir ein Implantat aber: „Das kostet“, sagte er und blickte mich eindringlich und etwas mitleidig an. „Tja, da ist doch meine Altersvorsorge gut aufgehoben - im eigenen Mund!“ antwortete ich. 
Ich versuche, meinen Humor nicht zu verlieren. Die Lücke sieht doch auch ein bisschen charmant aus. Ich will authentisch altern. Zeit ist nun mal unser Schicksal. Raum und Zeit verlassen wir nur nächtens im Traum, dann kann ich sogar fliegen. Alt ist man nur, wenn man gar nicht mehr träumt. Das habe ich auch schon erlebt. Aber es ging vorbei. Ich stelle mich der Zeit und dass sie an meinem Körper so ein bisschen rumnagt. 

 Meine Seele kriegt sie eh nicht. 


 (geschrieben beim Soulwriting mit Sabine Schreiber)

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